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Freitag, 18. Februar 2022

Ich nenne ihn TUMI

 

Meine Zeit mit TUMI

 Tumi ist kein kleiner Junge, und er ist auch nicht klein im Verhältnis gesehen zu dem Ort, wo er sich wohnlich niedergelassen hat. Und er ist auch nicht lieb und kuschelig. Ich will mit ihm reden, ihn fragen, warum er sich bei mir eingenistet hat. Und eventuell einen Kompromiss mit ihm abschließen.

 Tumi ist der Tumor, den ich ertastete und der mein Leben mit einem Schlag geändert hat.

Weil mir Schreiben schon immer half, Ereignisse aufzuarbeiten, will ich auch jetzt versuchen, meine Ängste, meine Gedanken und alles, was auf mich zukommt, niederschreiben.

Mittwoch, 09.Februar

Es sind Winterferien und ich habe in dieser Woche keine Nachhilfe bei meinen drei Schülern. Ich freue mich auf den Tag und nehme mir vor, ein wenig mit dem Auto unterwegs zu sein, um dabei gleichzeitig einige Einkäufe zu erledigen.

Erst einmal in Ruhe duschen und das neue Duschbad ausprobieren und dann die neue Körperlotion benutzen. Das sind alles kleine Freuden, die mir helfen, darüber hinwegzukommen, dass ich allein bin, weil sich mein Mann Hans seit letztem Oktober in der Psychiatrie   aufhält.

Beim Eincremen schau ich in den Spiegel und erschrecke. Was ist das da an meiner rechten Brust? Eine Delle oberhalb der Brustwarze. Panik überfällt mich. Ich renne in mein Zimmer zum Telefon

Vor Aufregung finde ich die Telefonnummer meiner Frauenärztin nicht auf dem Display. Schnell das Notizbuch öffnen, schnell schnell! Doch es fällt mir aus der Hand. Endlich, hier ist die Telefonnummer. Ich wähle und versuche normal zu sprechen und nicht zu weinen. Die Schwester sagt: „Kommen Sie gleich nach der Sprechstunde 11.30 hier her in die Praxis“.

Es ist 9 Uhr und die Zeit schleicht dahin wie eine Schnecke. Wie eine Nacktschnecke. Ich zwinge mich, erst einmal etwas zu essen und einen Tee zu trinken. Ich laufe in der Wohnung herum, räume auf, sauge Staub, das alles nur, damit die Zeit vergeht. Mehrmals zum Fenster hinausschauen, wozu eigentlich? Da ist kein Befund zu sehen und es wartet auch keine Fee darauf, mich zu erlösen.

Endlich! Es ist kurz vor 11 Uhr, ich laufe los. Knapp 25 Minuten benötige ich immer, wenn ich in unsere Kleinstadt laufe, fünf etwa mit dem Auto, aber dazu bin ich wohl jetzt nicht in der Lage. Ich wiederhole unentwegt den Wortlaut meiner Meditation. Doch es nützt nichts.  

Ziemlich außer Atem und angsterfüllt betrete ich die Praxis. Die Schwester begrüßt mich.  „Ich nehme Sie gleich mit“. Eine Patientin im Warteraum schaut mich verwundert an, vielleicht denkt sie, nanu, ich bin doch erst an der Reihe. Gern würde ich jetzt mit ihr tauschen.

Meine Ärztin kenne ich schon viele Jahre und ich habe totales Vertrauen zu ihr. Sie untersucht zuerst einmal die unteren Regionen. „Da ist alles in Ordnung“ meint sie. Und dann „Nun machen Sie mal die Brust frei.“ Schon ihr Blick sagt mir alles. Und dann das schweigende Abtasten. „Ich schicke Sie zur Mammografie, kommen Sie, setzen Sie sich erst mal, die Schwester ruft gleich in der Radiologie an.“

Mein Herz klopft laut und ich ahne, dass da etwas Schlimmes auf mich zu kommt. Ich weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin. Die Tür aufschließen, jetzt kann ich erst mal heulen.

Ich beschließe, meinen drei Kindern die Mitteilung über die bevorstehende Mammographie zu machen. Zuerst dachte ich- lieber nicht, sie haben doch ihre eigenen Probleme. Dann schickte ich ihnen über Threema eine kurze Mitteilung. Meinem Mann sage ich noch nichts es gibt immerhin noch eine Chance, dass alles ein Irrtum ist.

Montag, 14. Februar

Heute ist der Tag, an dem ich eigentlich zu meinem Mann in die Klinik fahren wollte. Ich wollte mich mit ihm und seiner Psychologin treffen, um alles zu besprechen, wie es weitergeht, wenn er entlassen wird. Gestern fuhr ich die Strecke zur Hälfte schon einmal ab, weil ich wegen meiner Doppelsichtigkeit 4 Jahren nicht am Steuer saß.  

Nun habe ich stattdessen einen Mammografie-Termin in der Radiologie in Greiz.  Meine Töchter bitten mich inständig, nicht mit dem Auto zu fahren. Ich rufe also ein Taxi. Vielleicht haben sie recht, ich weiß ja nicht, wie die Diagnose ausfällt und dann fahre ich unsicher.

Ich musste nicht lange warten, und als ich den Fragebogen ausgefüllt hatte, wurde ich schon aufgerufen. Die Ärztin sagte es mir dann auf den Kopf zu: „Es sieht nicht gut aus, es ist höchstwahrscheinlich ein bösartiger Tumor. Allerdings Genaues erfahren Sie erst durch die Biopsie. Ich schicke den Bericht sofort zu Ihrer Frauenärztin. Und ich wünsche Ihnen natürlich alles Gute“

Dann sprach sie noch beruhigend auf mich ein, erzählt etwas von den Erfolgschancen beim Stand der heutigen Medizin. Und vom positiven Denken.

Ich weiß nicht, wie ich aus der Radiologie hinausgekommen bin. Es war kalt und windig. Nun muss ich erst einmal ein Taxi rufen. Erster Versuch- kein Auto frei, zweiter Versuch das Gleiche. Dritter Versuch- ich flehe das Unternehmen regelrecht an- und nach 10 Minuten draußen in der Kälte- die ich gar nicht richtig spüre- kommt das Taxi. 

Inzwischen ist es 14 Uhr und ich weiß, ich kann meine Frauenärztin nicht mehr erreichen, denn ihre Sprechstunde ist zu Ende. Also warten. 

Dienstag,15.Februar

Ich versuche eine Stunde lang vergeblich, eine Verbindung zu bekommen. Meine Tochter ruft von Berlin aus an, bekommt natürlich gesagt, dass am Telefon keine Auskunft gegeben wird. Ich möchte bitte nach der Vormittagssprechstunde kommen.

Und wieder warten warten. 

Ich sitze im Behandlungszimmer und warte. Meine Frauenärztin spricht mit mir, erklärt den Befund. Eines begreife ich: 95% bösartige Tumorrealität, 5 % Hoffnung auf einen Irrtum. 

Meine Töchter, auch mein Sohn, meine Freundinnen hier im realen Leben und in Secondlife sind für mich da. 

Meinem Mann habe ich es nun gesagt. Er hat es einigermaßen gefasst aufgenommen und bedauert, dass er jetzt nicht bei mir sein kann. Hoffentlich hat er die Kraft, mit all dem umzugehen.  Hoffentlich wird er nicht wieder so krank wie im Oktober.


8 Kommentare:

  1. Du weist ich bin für dich da! Fühle dich fest umarmt.

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  2. ich weiß zwar nicht, wer du bist, aber ich danke dir von ganzem Herzen.

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  3. Jetzt weiß ich, wer du bist, und ich danke dir ♥️

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  4. Guten Morgen liebe Herbstfrau, heute komme ich endlich zum Lesen. Gut, wenn Du Dir ein klein wenig von der Seele schreiben kannst in dieser Situation.
    Kommt H. bald endlich heim und kann Dir eine Stütze sein?
    Herzliche Umarmung von uns


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    1. Halo du Liebe, Hans ist heute nach Hause gekommen und ich hoffe, er ist stabil genug für alles was da nch kommen könnte. Liebe Grüße nach Wernigerode! ♥

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  5. Liebe Herbstfrau, die Nachricht von Deiner Krankheit hat mich sehr traurig gemacht. Ich bin in Gedanken bei Dir und wünsche Dir viel Kraft. Besonders am 28.2. werde ich in Gedanken bei Dir sein.
    Herzlichste Grüße! Fühle Dich umarmt!

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    1. Liebe Monika ich danke dir sehr, dass du gelesen hast ud mitfühlst. Danke fürs Daumen Drücken! LG zu dir!♥

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